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Vorschau Bundesliga Saison 2022/23

Von Oliver Walker | August 4, 2022 | Lesezeit : 7 Minuten
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Vorschau Bundesliga Saison 2022/23

Die nächste Bundesliga Saison steht vor der Tür. Die Saisoneröffnung steht unmittelbar bevor, daher wollen wir uns die aktuellen Geschichten ansehen und darüber spekulieren, was wir von den Mannschaften und Spielern für 2022/23 erwarten können.

Expected Goal (xG) Performance, Bundesliga 2021/22

Bevor wir nach vorn schauen, werfen wir einen kurzen Blick zurück auf die Tabelle von letztem Jahr. Die Tabelle hier zeigt die erwartete Tordifferenz für jede Mannschaft 2021/22 in rot und die derzeitige Tordifferenz in blau - beide ohne Elfmeter.

  • Es wird niemanden überraschen, dass Bayern München wieder einmal weit vor den restlichen Mannschaften lag. Die Bayern gewannen den 10. Bundesliga-Titel in Folge - als erste deutsche Mannschaft überhaupt - und das ganz souverän, wobei ihre Dominanz auf dem Platz vielleicht noch größer war, als es der Vorsprung von acht Punkten vermuten lässt. Ihre erwartete Tordifferenz war 2.5 x höher als bei der nächstbesten Mannschaft.
  • Arminia Bielefeld hatte die drittgrößte positive Differenz zwischen der aktuellen Tordifferenz und der erwarteten Tordifferenz und stieg trotzdem als 17. ab. Die Heldentaten des Torhüters Stefan Ortega - er verhinderte nahezu 10 Tore mehr als erwartet, gemessen an den abgegebenen Schüssen - hinter einer mangelhaften Verteidigung brachten ihm einen Wechsel zu Manchester City ein.
  • Hoffenheim, Mönchengladbach und Wolfsburg beendeten die Saison klar im Mittelfeld, könnten sich mit einiger Anstrengung allerdings wieder in Richtung der Europapokal-Plätze bewegen. Sie alle hatten ähnliche erwartete Tordifferenzen wie Union Berlin und Freiburg, blieben jedoch hinter ihren aktuellen Tordifferenzen zurück.

Was heißt das im Hinblick auf die nächste Saison?

Bayern München: ohne Robert Lewandowski

Die größte Geschichte für 2022/23 ist sicherlich der Verlust der besten Stürmer der Liga. Erling Haalands Weggang von Dortmund war von dem Tag an vorprogrammiert, an dem er zum BVB kam. Aber Robert Lewandowskis Transfer von Bayern nach Barcelona kam für viele überraschend, denn man dachte, er würde noch mindestens eine Saison lang bleiben, insbesondere angesichts der Form, in der er gerade war.

Obwohl er vielleicht in der letzten Saison etwas nachgelassen hatte und nur 35(!) Ligatore im Vergleich zu 41 in der vorhergehenden Saison schoss, kam der Verlust von Lewandowski für die Bayern zweifellos früher, als es für sie wünschenswert gewesen wäre. Es geht nicht um den rechtzeitigen Verkauf eines nachlassenden Spielers, sondern um den Verlust eines der besten, wenn nicht gar des besten Stürmers im Weltfußball.

Diese Medaille hat zwei Seiten. Eine Seite zeigt, dass Bayern in der Liga 33 % ihrer erwarteten Torleistung aus der letzten Saison verlieren. Jede andere Bundesliga-Mannschaft würde sich Sorgen machen, ein Drittel ihrer Tore zu verlieren, dass ohne die 28.9 xG von Lewandowski in der letzten Saison die Bayern in der Gesamtbilanz immer noch den mit Abstand besten Angriff der Liga gehabt hätten.

Noch interessanter ist die Entscheidung, Lewandowskis Leistung durch Sadio Mané zu ersetzen. Mané wird ganz klar nicht denselben Angriffsfokus wie Lewandowski haben, aber es gibt keinen Grund, weshalb er nicht ebenso gut mit dem Rest des Angriffsarsenals der Bayern harmonieren sollte. Es ist logisch, dass Julian Nagelsmann als Ersatz die Tore insgesamt plant und erwartet.

Mané, Sane, Gnabry, Müller, Musiala, Sabitzer, Coman.

Man kann ganz gut erkennen, wie sehr die Bayern Lust auf die Chancen hat, die meisten Tore wieder reinzuholen, die sie vermutlich verloren haben.

RB Leipzig: eine andere Herangehensweise

RB Leipzig will die Lücke zu den Bayern schließen und zumindest die Mannschaften um sich herum überholen, um den zweiten Platz von 2020/21 zu halten. Nur macht es die Mannschaft dieses Mal anders.

Es war nie einfach, den jetzigen Bayern-Trainer Nagelsmann zu ersetzen, und Jesse Marsch hat nur eine halbe Saison lang versucht, die Nachfolge des großen deutschen Trainertalents anzutreten. Der frühere Cheftrainer von Schalke und Spartak Moskau kam und brachte Ruhe in die Mannschaft, um den Champions League Platz zu sichern.

Dennoch war die Spielweise nicht die, die wir von Leipzig erwartet hatten. Tedesco hat den traditionellen RB-Ansatz mit schnellem Pressing und schnellerem Umschaltspiel aufgegeben und sich stattdessen vorgenommen, Leipzig zu einer sichereren und lauffreudigeren Mannschaft zu machen, die weniger Risiken in und aus dem Ballbesitz heraus eingeht. Deren PPDA sank von 7.1 auf 10.4.

Der Zweck heiligte die Mittel, denn Leipzig erreichte das Halbfinale der Europa League und hatte ab dem Zeitpunkt der Verpflichtung von Tedesco die zweitbeste erwartete Tordifferenz in der Bundesliga. Wird Leipzig durch den neuen Ansatz die beste Mannschafts des Rests sein und die Lücke zu den Bayern schließen?

On-Ball Value: Wo sorgten die Bundesligaspieler auf dem Spielfeld für Gefahr?

On-Ball Value (OBV) ist unser Bewertungsmodell für den Ballbesitz, also eine Methode um den Wert jeder Aktion zu messen, die auf dem Spielfeld stattfand und zwar auf der Grundlage der positiven oder negativen Auswirkung auf die Wahrscheinlichkeit des Teams für Torschüsse (oder Gegentore). Dies ermöglicht es uns, die bedeutendsten Aktionen in einer Ballbesitz-Kette zu bewerten - diejenigen, die den größten Einfluss auf die Steigerung der Torchancen einer Mannschaft hatten - über den Pass vor dem Schuss oder den Schuss selbst hinaus.

Wir können den OBV nutzen, um abzuschätzen, wo jede Mannschaft am meisten Wert geschaffen hat: In welchen Bereichen war sie für den Gegner am gefährlichsten?

Folgendes können wir sehen:

  • Die Bedeutung des Halbraums für die Teams an der Spitze der Liga. Bayern, Leverkusen, Dortmund und Leipzig nutzten alle diesen Bereich, um den Strafraum mit Pässen oder Dribblings anzugreifen.
  • Mannschaften wie Arminia Bielefeld und Bochum, die den Ball lieber lang von hinten spielen. Union Berlin auf dem 5. Platz fiel ebenfalls in diese Kategorie und bewies, dass man den Ball nicht von hinten spielen muss um erfolgreich in einer großen europäischen Liga zu spielen.
  • Hoffenheim versuchte über die Flügel zu spielen und Flanken im Strafraum zu schaffen. Wir können jedoch davon ausgehen, dass sich dies mit dem neuen Trainer André Breitenreiter ändern wird, der mit dem FC Zürich in der Saison 2021/22 die Super League der Schweiz gewann, ohne sich bei der Chancenverwertung auf Flanken zu verlassen.

Bayer Leverkusen spielt auf der rechten Seite

Es ist in der OBV Heatmap von Bayer Leverkusen klar erkennbar, dass ein Großteil der Gefahr bei ihnen von der rechten Seite ausgeht. Für regelmäßige Zuschauer der Werkself wird dies keine Überraschung sein: Die ganze Saison über genossen es Moussa Diaby und Jeremie Frimpong, die Abwehr der Bundesliga zu durchbrechen und zu beschäftigen.

Florian Wirtz war der Spieler, der für die meisten Schlagzeilen und den meisten Beifall bei Leverkusen sorgte, aber seine beiden Teamkollegen in Leverkusen gehören zu den sechs Spielern, die mit den Balleroberungen in der Bundesliga in der letzten Saison die meisten OBV erzielten. Da sie in unterschiedlichen Bereichen des Spielfelds agieren - Diaby ist Außenstürmer und Frimpong Flügelstürmer - ist es interessant zu vergleichen, woher ihr Ballbesitz meistens kam und wohin sie den Ball brachten.

In Frimpongs Übersicht wird klar, dass er ein Spieler ist, der in dynamischen Übergängen und dem Durchbrechen von Abwehrblöcken glänzt. Er spielt den Ball schnell und kontrolliert in das letzte Drittel des Gegners und in dessen Strafraum. Auch seine Läufe ergaben ein Endprodukt, denn er lieferte sechs Vorlagen bei 4.1 xG Vorlagen.

Der Vergleich mit Diabys Übersicht ist interessant. Obwohl er oft auf der rechten oder linken Flanke startet, kamen Diabys beste Läufe aus den Halbräumen, wenn er den Ball in der Innenbahn abnahm und in Richtung Tor lief, sich dabei um die Verteidigung schlängelte und in eine Position brachte, in der er den Ball schießen oder einem Mannschaftskollegen zuspielen konnte. Diaby war in der vergangenen Saison die wichtigste kreative Kraft der Mannschaft und wurde in der Liga nur von Thomas Müller und Christopher Nkunku in Bezug auf die erwartete Anzahl der Vorlagen im laufenden Spiel übertroffen.

Tatsächlich war Diaby in der letzten Bundesliga Saison einer der Spieler, der sich am meisten verbesserte. Unter Gerardo Seoane spielte Leverkusen im Angriff ein Umschaltspiel, das sich auf die schiere Mobilität von Spielern wie Diaby und Wirtz konzentrierte. Diaby mehr Ballkontakte im Strafraum, die zu einer deutlichen Verbesserung seiner Schussqualität führte, gemessen an seinem xG pro Schuss.

Wo pressen Bundesligamannschaften?

In der Liga, die in der modernen Ära das Gegenpressing ins Leben rief, war das Pressing immer besonders interessant für eine Liga, in der viel mehr im Übergang gespielt wird, als in den anderen europäischen Ligen. Sehen wir uns einmal an, wo jede Mannschaft in der Saison 2021/22 am meisten Druck ausübte.

  • Den FC Köln kann man nicht einfach außen vor lassen, denn er war in der letzten Saison die aggressivste Bundesliga-Mannschaft. Egal, was der Gegner tat und wo er es tat, Köln war immer sofort zur Stelle: 29 % der Passempfänge der Gegner erfolgten innerhalb von 2 Sekunden durch Pressing, Angriff oder Fauls. Steffen Baumgart wurde zu einem Trainer, auf den man achten sollte.
  • Keine der Berliner Mannschaften war im Mittelfeld sonderlich aktiv. Sowohl Union als auch Hertha versuchten dem Gegner im Angriffsdrittel und mittleren Drittel Zeit und Raum auf den Ball zu lassen, um die Kondition zu halten und in einem kompakten Block zu stehen.
  • Borussia Mönchengladbach schien Schwierigkeiten zu haben, den Gegner in den zentralen Bereichen des letzten Drittels unter Kontrolle zu bringen, obwohl das Pressing im Angriffsdrittel und mittleren Drittel recht aktiv war. Vielleicht war das ein Zeichen dafür, dass die Mannschaft verletzlich war, wenn das Pressing unterbrochen wurde?

Linienbrechende Pässe

Mit unseren StatsBomb 360 Daten - Standbild Ereignisdaten mit der Lokalisierung aller Spieler im Bild rund um jedes Ereignis - sind wir nun in der Lage, festzustellen, wann ein Pass die gegnerische Defensivlinie durchbrochen hat. Hier die Top Ten der linienbrechenden Pässe in der Bundesliga 2021/22.

Am bemerkenswertesten ist vielleicht der Auftritt von Niklas Süle als Zweiter auf der Liste, nach dem ablösefreien Transfer von Bayern München zu Borussia Dortmund. Für den mittlerweile 33-jährigen Mats Hummels muss Dortmund einen langfristigen Ersatz in der Innenverteidigung finden, insbesondere mit seiner Fähigkeit, das Spiel aus der Verteidigung heraus voranzutreiben. Mit Niklas Süle und dem neu verpflichteten Nico Schlotterbeck von Freiburg (20. Platz in der linienbrechenden Passliste) hofft Dortmund, die Zukunft der Verteidigung für viele kommende Saisons gesichert zu haben.

Große Transfers:

Karim Adeyemi - von RB Salzburg zu Borussia Dortmund

Dortmund versucht Erling Haalands Torleistung mit der Verpflichtung von Sébastien Haller von Ajax und Karim Adeyemi von RB Salzburg zu ersetzen.

Haaland selbst war den Weg Salzburg -> Dortmund gegangen und Adeyemi hofft wohl, dass ihm ein ähnlicher Aufstieg von Österreich nach Deutschland gelingt.

Adeyemi hat jedoch ein etwas anderes Profil als sein Vorgänger und ist eher ein Außenstürmer als ein kompletter Mittelstürmer wie Haaland. Es kann sein, dass Dortmund plante, Adeyemi gegen Haller auszuspielen, bevor bei Haller Gesundheitsprobleme diagnostiziert wurden, daher ist noch nicht ganz klar, wo und wie Adeyemi eingesetzt werden wird.

Unser Tool zur Suche nach ähnlichen Spielern zeigt, dass Kylian Mbappé der Stürmer ist, dem Adeyemi in den Big Five der europäischen Ligen am ähnlichsten ist.

David Raum - von Hoffenheim zu RB Leipzig

Es brauchte nur eine Bundesliga-Saison um Leipzig davon zu überzeugen, David Raum aus Hoffenheim zu holen.

Der linke Außenverteidiger war der Star der Saison 2021/22. Erst im August 2021 kam er nach seinem ablösefreien Wechsel von Greuther Fürth zum Einsatz in der ersten Liga, zeigte aber sofort, dass er hierher gehört und trug maßgeblich zu Hoffenheims Angriff auf der linken Seite bei.

Raum war in der letzten Saison direkt hinter Thomas Müller, Christopher Nkunku und Moussa Diaby bei der erwarteten Anzahl an Vorlagen in der Liga und schuf mit seinen Pässen mehr On-Ball Value als jeder andere Spieler.

Adam Hložek– von Sparta Prag zu Bayer Leverkusen

Die Nachricht, dass Leverkusen einen weiteren trickreichen Angriffsspieler verpflichtet, der in der gesamten Offensivabteilung eingesetzt werden kann, wird bei den Verteidigern der Bundesliga in diesem Sommer nicht gut ankommen.

Adam Hložek war lange für einen Transfer in die größten europäischen Ligen gehandelt worden, und diesen Sommer war es soweit, mit dem Wechsel von Sparta Prag in der ersten tschechischen Liga zur Bundesliga. Hložek absolvierte über 100 Pflichtspiele für Sparta, spielte in der Europa League und gewann 18 Länderspiele für die Tschechische Republik. Und das alles mit 19 Jahren.

Hložek, der sowohl als Außenstürmer als auch als Mittelstürmer eingesetzt werden kann, verfügt über eine Vielseitigkeit, die ihm bei Leverkusen von Anfang an Spielzeit verschaffen sollte, insbesondere nach der Verletzung von Florian Wirtz in der Rückrunde der Saison 2021/22.

Er kann sich in der Luft durchsetzen, Spieler aus dem Dribbling schlagen und selbst Tore schießen. Viele werden gespannt sein, ob Hložek den Schritt nach oben schafft.

Eine Anmerkung zu den Mannschaften, die aus der 2. Bundesliga aufstiegen

Wir begrüßen Schalke 04 und Werder Bremen zurück in der Bundesliga, nachdem beide nach dem Abstieg in der Saison 2020/21 den sofortigen Wiederaufstieg in die erste Liga schafften.

Schalke gewann den Titel mit zwei Punkten Vorsprung vor Bremen, aber in den zugrunde liegenden Zahlen gab es praktisch keinen Unterschied zwischen den zwei Mannschaften; beide hatten 2021/22 die beiden besten Angriffe und die beiden besten Abwehrreihen per xG in der 2. Bundesliga.

Wir werden sehen, wer ohne Lewandowski und ohne Haaland in der Bundesliga-Saison 2022/23 zum Star wird.

Von Oliver Walker | August 4, 2022