StatsBomb Fallstudie: 1.FC Nürnberg Frauen

Von StatsBomb | Februar 5, 2024 | Lesezeit : 5 Minuten

StatsBomb Fallstudie: 1.FC Nürnberg Frauen

In einem Zeitraum von nur vier Jahren haben sich die Clubfrauen von einem Regionalligisten, der in kleinen Fußballstadien spielt, zu einer Spitzenmannschaft entwickelt, die gegen hochkarätige Teams wie Bayern München und Wolfsburg antreten kann.

Der 1. FC Nürnberg – der ebenso wie viele andere Frauenmannschaften einen kostenlosen Zugang zu unserer innovativen IQ-Analyseplattform genießt – ist gleich zweimal hintereinander aufgestiegen und hat schon die Hälfte seiner ersten Saison in der Frauen-Bundesliga absolviert. 

Innerhalb der Liga herrscht ein deutliches Ungleichgewicht, vor allem im Hinblick auf die Räumlichkeiten, die Infrastruktur und die Budgets, die den Frauenmannschaften der großen, finanzstarken Vereine zur Verfügung stehen. Dennoch haben sich die Clubfrauen ein ganz klares Ziel gesetzt: Platz zehn in der Tabelle und der Klassenhalt.

Wir hatten kürzlich die Gelegenheit, mit Florian Zenger zu sprechen, dem Chefscout und Analysten der Clubfrauen. Er kam vor zwei Jahren zum 1. FC Nürnberg und spielte bei der rasanten Entwicklung der Frauenmannschaft eine entscheidende Rolle.

Im Interview unterhielten wir uns über den bisherigen Saisonverlauf, sein uneingeschränktes Bekenntnis zu Daten und darüber, wie er die Kluft zwischen der Analyse und der Performance auf dem Rasen überwindet.

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StatsBomb (SB): Können Sie in der ersten und zweiten Liga im Hinblick auf die Nutzung von Analysedaten einen Unterschied feststellen?

Florian Zenger (FZ): Ich schätze mal, der Unterschied ist ziemlich groß. In der ersten Liga ist das Leistungsniveau halt einfach sehr viel höher. 

Genau genommen haben wir den Deutschen Fußball-Scouting-Verband ins Leben gerufen, weil es hierzulande ja kein Pendant zum englischen PFSA Scouting-Netzwerk gibt. Lediglich rund 10 % der insgesamt 50 Gründungsmitglieder dieses neuen Verbands können Erfahrungen im Frauenfußball vorweisen, während die zweite Liga von Leuten repräsentiert wird, die mit der Zweitmannschaft eines Bundesligisten arbeiten, die in ebendieser zweiten Liga spielt. Das sagt doch eigentlich schon alles.

Wer die verfügbaren Daten nutzen möchte, muss sie sich erst einmal leisten können. Und wenn man sich dann noch die Infrastruktur der Zweitligisten vor Augen führt, so haben einige dieser Vereine auch schlichtweg keine Analysten an der Hand. Außer dem Trainer und dem Assistenztrainer gibt es dort niemanden, der die Videos auswerten könnte. Wir hatten in Nürnberg also einen deutlichen Vorsprung, als wir den Aufstieg in die erste Liga geschafft haben, da wir die IQ-Plattform nutzen konnten, um uns auf unsere Spiele vorzubereiten.

SB: Wie sieht Ihre typische Arbeitswoche aus, wenn Sie Daten analysieren?

FZ: Sobald ich die Daten des letzten Spiels vor mir liegen habe, geht's los. Zunächst erstelle ich einen Nachbericht der jeweiligen Partie, der im Prinzip genauso aussieht wie ein Race Chart, damit ich da Herausspielen von Torchancen analysieren und weitere Erkenntnisse dieser Art gewinnen kann.

Ich verbringe außerdem viel Zeit mit vorausschauenden Analysen. Für das bevorstehende Spiel erstelle ich einen Vorbericht, der sich mit unserem Defensivstil befasst. Natürlich schaue ich mir dann auch unsere Passwege und Passrichtungen an, damit ich weiß, an welchem Punkt die größte Gefahr von uns ausgeht. Zudem beleuchte ich die gegnerische Mannschaft, um herauszufinden, in welchen Zonen es die häufigsten Ballverluste gibt, oder ob es Spielerinnen gibt, die unter Druck besonders gut oder eben nicht so gut spielen.

Während eines Spiels sitze ich auf der Tribüne, aber in der Halbzeit bin ich in der Kabine, wo ich manchmal auch Videos zeige. Als wir gegen Frankfurt gespielt haben, die aktuell auf dem dritten Tabellenplatz stehen, habe ich dem Trainer mitgeteilt, dass wir bei der Schussstatistik zur Halbzeit gleichauf liegen. Da meinte er nur, ich solle in die Kabine gehen und es auch den Spielerinnen sagen, um deren Selbstvertrauen zu stärken. Da zählen die Trainer also des Öfteren auf mich. 

Wir neigen dazu, uns auch den On-Ball-Value (OBV) anzusehen, um den jeweiligen Einsatz unserer Spielerinnen auszuwerten und ihn als Faktor in die Bewertung der Spielerleistungen mit einfließen zu lassen.

Es gibt auch Spielerinnen, die mich um eigene, individuell auf sie zugeschnittene Auswertungen bitten, damit sie ihre eigenen Daten und Statistiken nach den Spielen selbst analysieren können – also bereite ich auch diese Berichte vor.

SB: Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Gespür für Daten schon auf die Spielerinnen abgefärbt hat?

FZ: Die Spielerinnen vertrauen meinem Urteil, das einerseits auf den Daten selbst und andererseits auf meiner Erfahrung im Umgang mit Daten basiert. 

In dieser Saison haben wir unser erstes Spiel gegen Freiburg gewonnen. Schon vor diesem Spiel war mir aufgefallen, dass die Torhüterin bei einem Schuss aufs Tor meist nicht mittig zum Ball gestanden ist. Also habe ich unsere Torfrau ebenso wie den Torwarttrainer gefragt, welchen Grund es hierfür geben könnte, einen Grund, den ich bis jetzt vielleicht nur noch nicht auf dem Schirm hatte. Beide meinten, es gäbe keinen Grund, die gegnerische Torfrau habe sich einfach nur schlecht positioniert.

Ich bin dann zu den Spielerinnen gegangen und habe ihnen gesagt: „Schaut euch die Schüsse an, die diese Torhüterin abbekommen hat, und achtet dabei auf ihre Position. Ihr seht, dass sie immer daneben steht. Also, schießt einfach so viel Bälle in Richtung Tor, wie ihr könnt."

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So etwas beeinflusst das Mindset der Spielerinnen, weil sie eine Schwäche zu ihrem Vorteil nutzen können. Es stärkt ihr Selbstvertrauen und lässt sie deutlich erkennen, dass wir einen Plan haben.

SB: Welches Verhältnis hat Ihr Trainerstab zu den Daten?

FZ: Ich schaue mir aus dem laufenden Spiel heraus alle Spielzüge an und filtere sie nach bestimmten Kriterien, um den Trainern zu zeigen, ob eine Mannschaft zum Beispiel viele Torschüsse vom Anstoßpunkt weg oder nach Einwürfen hat. Derartige Dinge behalten Trainer immer gerne im Blick. Anhand der Daten entwickle ich auch die infrage kommenden Aufstellungen, indem ich mir die Links- und Rechtsfüßigkeit ebenso wie die Passquote ansehe. Ich achte darauf, ob es offene Räume gibt oder bestimmte Spielerinnen, die nahe beieinander spielen, damit ich unsere Pressing-Strategie anpassen kann. Und das ist etwas, das die Trainer als sehr wichtig ansehen.

Unser Cheftrainer, Thomas Ostendorp, legt großen Wert auf Daten. Bei der Mannschaftsbesprechung vor einem Spiel kann ich während seiner Ansprache durchaus erkennen, wie er die Daten nutzt, und oft baut auch unsere Spielgestaltung darauf auf. Als wir gegen Frankfurt spielten, bat er mich, herauszufinden, bei welchen Spielerinnen der gegnerischen Mannschaft die Passquoten am stärksten sinken, sobald sie unter Druck geraten. Also haben wir entschieden, unsere Pressing-Taktik auf diese Spielerinnen auszurichten.

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Meine Aufgabe ist es, die Daten zu übersetzen und sie dem Trainerstab zu erklären. Wenn ich eine Statistik bewerte und sie als wichtig einstufe, dann glaubt man mir das. Beim OBV habe ich nur gesagt: Das ist der Beitrag einer Spielerin zum Mannschaftserfolg. Ihr müsst nicht verstehen, wie dieser Wert berechnet wird. Betrachtet es einfach unter folgendem Gesichtspunkt: Wenn eine Spielerin einen negativen Pass-OBV hat, dann heißt das nichts anderes, als dass ihre Pässe der gegnerischen Mannschaft mehr nützen als uns. 

SB: Was würden Sie tun, wenn Sie StatsBomb nicht hätten?

FZ: Wenn ich StatsBomb nicht hätte, müsste ich mit den Daten arbeiten, die uns der DFB zur Verfügung stellt. Dabei handelt es sich um Live-Daten, die während des Spiels zusammentragen werden und auf die ich zugreifen kann, während ich im Stadion bin. Allerdings gehen diese Daten leider nicht so in die Tiefe, wie ich mir das wünschen würde, und die ich für meine Arbeit auch brauche. Das heißt, allein mit diesem Datenmaterial würde ich wohl nicht sehr glücklich werden.

Es fällt mir eher schwer, mir ein solches Szenario überhaupt vorzustellen. Mit den Daten von StatsBomb habe ich mir ja meine Expertise erarbeitet, damit bin ich gewissermaßen groß geworden. Für mich war StatsBomb immer der Goldstandard. Das war auch das Erste, was ich dem sportlichen Leiter sagte, als ich seinerzeit zu den Clubfrauen kam: „Ich will auf jeden Fall mit den Daten von StatsBomb arbeiten. Schaut euch das an, es funktioniert!“ 

Ich habe mich sogar mit dem Team der Clubmänner ausgetauscht, welche Daten sie von StatsBomb nutzen wollen und welche Ligen sie dabei mit berücksichtigen werden. Wir geben uns also auch gegenseitig Feedback. Wenn ich das Geld hätte, würde ich die Daten aller Ligen kaufen. Aber diese Entscheidung liegt nicht bei mir.

SB: Können Sie uns anhand einiger Metriken oder Visualisierungen die Erfolge aufzeigen, die Sie mithilfe unserer Daten erzielt haben?

FZ: Wir haben mit einer höheren Abwehrlinie gespielt und die Anzahl der Pässe reduziert, die wir dem Gegner erlauben, bevor wir mit einer Abwehraktion eingreifen (PPDA).

Wir haben uns die Daten angesehen und gesagt, dass wir aggressiver vorgehen und im Verhältnis zum gegnerischen Ballbesitz mehr Druck ausüben müssen. Das können Sie bereits an den Trendlinien erkennen.

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Man kann auch kleinere Umstellungen erkennen, die wir vornehmen mussten, denn es war wirklich schwierig, sich in diese Liga hineinzufinden. In den ersten beiden Spielen haben wir gleich elf Gegentore kassiert, doch von da an waren wir dann konkurrenzfähig. 

Der Leistungsunterschied ist so groß, dass es wahrlich nicht einfach ist; doch so langsam haben wir den Punkt erreicht, an dem wir an guten Tagen zumindest mithalten und Punkte holen können.

SB: Wie schätzen Sie den weiteren Saisonverlauf ein?

 FZ: Je mehr Datenpunkte man zusammentragen kann, desto mehr Informationen hat man über den Gegner. Der daraus entstehende Nutzen wächst nur mit zunehmender Datenmenge. Wir haben zwar einen Vorsprung, aber wird uns das auch beim Klassenerhalt helfen? Ich weiß es nicht. Doch unsere Weiterentwicklung wäre ohne diese Daten nicht möglich gewesen.

Selbst wenn wir unser Ziel am Ende doch nicht erreichen sollten, würde ich sagen, dass es die Clubfrauen vorangebracht hat. Die Mannschaft ist gewachsen. Die Daten haben uns auch bei taktischen Entscheidungen geholfen. Eigentlich sollte jeder Verein diese Möglichkeiten nutzen. Aber würden es alle tun, hätten wir natürlich keinen Vorsprung mehr.

 


 

StatsBomb engagiert sich für Frauenmannschaften, indem wir ihnen maßgeschneiderte Analysen zum Frauenfußball, Open-Data-Publikationen und einen kostenlosen Zugang zu unserer innovativen IQ-Analyseplattform zur Verfügung stellen.

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Von StatsBomb | Februar 5, 2024